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Themen und Services/Recht/Individualarbeitsrecht

Letzte Aktualisierung: 21. März 2024

Urteil

BAG: Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei symptomloser Corona-Infektion

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Dr. Joachim Wutte
Dr. Joachim Wutte
Betriebliche Altersversorgung (bAV), Arbeitsrecht
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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 20. März 2024 – 5 AZR 234/23 entschieden, dass Arbeitgeber auch bei einer symptomlos verlaufenden Corona-Infektion eines Mitarbeiters in Quarantäne trotz Arbeitsausfall das Arbeitsentgelt fortzahlen müssen. Das geht aus der Pressemitteilung des BAG hervor, die Sie hier auf der Website des Gerichts finden. Wir fassen das Urteil zusammen und bewerten es aus Arbeitgebersicht.

Sachverhalt

Der Kläger war als Produktionsmitarbeiter bei einem Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie beschäftigt. Er hatte sich keiner Schutzimpfung unterzogen und wurde am 26. Dezember 2021 positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Für die Zeit vom 27. bis zum 31. Dezember 2021 wurde dem unter Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen leidenden Kläger eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ausgestellt. Für diese Zeit leistete das Unternehmen Entgeltfortzahlung. Am 29. Dezember 2021 wurde gegenüber dem Kläger eine Quarantäne in häuslicher Umgebung angeordnet. Für die Zeit vom 03. bis zum 12. Januar 2022 lehnte der Arzt die Ausstellung einer Folge-AU mit der Begründung ab, das positive Testergebnis und die Absonderungsanordnung würden zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichen. Der Arbeitgeber verweigerte für diese Zeit die Lohnfortzahlung, weil der Arbeitnehmer mangels AU keine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen habe. Dagegen klagte der Mitarbeiter.

Entscheidung

Das BAG hat entschieden, eine SARS-CoV-2-Infektion stelle auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) dar. Der Arbeitnehmer sei in diesem Sinne arbeitsunfähig, wenn es ihm infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt.

Dabei komme es nicht darauf an, ob bei dem Arbeitnehmer durchgehend Symptome von COVID-19 vorlagen. Die SARS-CoV-2-Infektion stelle einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führt. Die Absonderungsanordnung sei keine eigenständige, parallele Ursache für Arbeitsunfähigkeit, vielmehr beruhe das daraus resultierende Tätigkeitsverbot gerade auf der Infektion (Monokausalität). Diese sei die nicht hinwegzudenkende Ursache für die nachfolgende Absonderungsanordnung. Aufgrund der SARS-CoV-2-Infektion sei es dem Kläger rechtlich nicht möglich gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung im Betrieb der Beklagten zu erbringen (§ 275 Abs. 1 BGB).

Außerdem entschied das BAG, es könne nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass das Unterlassen der empfohlenen Corona-Schutzimpfung für die SARS-CoV-2-Infektion ursächlich war. Angesichts der Gefahr von Impfdurchbrüchen könne im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass die Ende Dezember 2021 beim Kläger aufgetretene Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der Schutzimpfung hätte verhindert werden können.

Der Beklagten stand kein Leistungsverweigerungsrecht wegen nicht vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG). Der Kläger habe durch Vorlage des Quarantänebescheides in geeigneter Weise nachgewiesen, infolge seiner Corona-Infektion objektiv an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert zu sein.

Bewertung

Zwar müssen die ausführlichen Entscheidungsgründe abgewartet werden, um das Urteil abschließend bewerten zu können. Die bereits veröffentlichten Kernaussagen sind allerdings sehr kritisch zu sehen. Es passt nicht in das System des EFZG, eine Infektion ohne körperliche Leistungseinbuße als arbeitsunfähigkeitsbegründende Krankheit einzuordnen. Vor allem aber könnte das Urteil gravierende Folgen für die noch nicht rechtskräftig verbeschiedenen Entschädigungen nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) haben. Bislang ging die überwiegende Behördenpraxis dahin, bei symptomlosen Corona-Infektionen grundsätzlich nicht von einer vorrangigen Entgeltfortzahlungspflicht der Arbeitgeber auszugehen – und den Arbeitnehmern die Entschädigung zuzusprechen. Es bleibt abzuwarten, ob die Behörden das Urteil zum Anlass nehmen, solche Fälle nun abschlägig zu behandeln. Damit wiederum wäre § 56 IfSG zu einem beträchtlichen Teil ausgehöhlt – er käme nur noch für Absonderungen wegen sich nicht bestätigenden Verdachtsfällen in Betracht (in Bayern: "Quarantäne"). Hingegen könnte man ihn praktisch nicht mehr heranziehen, wenn eine Absonderung wegen tatsächlicher Infektion in Rede steht ("Isolation"). Der Gesetzgeber hatte letztere Fälle jedoch ausdrücklich erfassen wollen, als er zum 31. März 2021 in § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG alle diejenigen als potentiell Anspruchsberechtigte definierte, die einer Absonderung nach § 30 IfSG unterworfen wurden, also gerade auch tatsächlich Infizierte.

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