Letzte Aktualisierung: 08. August 2022
Studie
Geopolitische Herausforderungen und ihre Folgen für das deutsche Wirtschaftsmodell
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Die im Auftrag der vbw vom ifo-Institut erstellte Studie untersucht die quantitativen Folgen verschiedener, auf De-Globalisierung ausgerichteter handelspolitischer Szenarien für die Wirtschaftsleistung in Deutschland. Alle Szenarien führen dazu, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland dauerhaft auf ein niedrigeres Niveau absinkt – verglichen mit einer unveränderten Handelspolitik. Kurzfristig, in der Anpassungsphase an das neue Niveau, sind die Wertschöpfungsverluste noch größer.
Verschiedene Szenarien mit unterschiedlich starken Auswirkungen
Am größten ist der BIP-Verlust für Deutschland mit fast zehn Prozent im Falle des Reshoring, d.h. der Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland. Durch Nearshoring, also dem (Rück-)Verlagern in geografisch nahe Regionen (EU, Türkei, Nordafrika) kann der Wertschöpfungsverlust auf immer noch hohe vier Prozent reduziert werden.
Eine Entkoppelung der EU von China führt zu einem dauerhaften BIP-Verlust in Deutschland von 0,5 Prozent, das wäre vier mal so hoch wie der deutsche BIP-Verlust in Folge des Brexit. Wenn China vergleichbare Vergeltungsmaßnahmen ergreift, erhöht sich der deutsche BIP-Verlust auf 0,8 Prozent. Ähnlich große Effekte ergeben sich, wenn sich nicht nur die EU, sondern der gesamte „Westen“ von China entkoppelt. Durch ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA könnten die BIP-Verluste Deutschlands reuziert werden.
Wenn sich Deutschland handelspolitisch von allen autokratischen Staaten entkoppelt, so sinkt das deutsche BIP dauerhaft um knapp ein Prozent, bei entsprechenden Gegenmaßnahmen dieser Staaten steigt der BIP-Verlust auf 1,2 Prozent. Sofern sich die gesamte EU von Autokratien entkoppelt, liegen die BIP-Verluste Deutschlands bei 1,6 Prozent bzw. 1,7 Prozent (mit Gegenmaßnahmen).
Diversifizierung statt De-Globalisierung
Die Studie zeigt, dass eine Strategie der De-Globalisierung die falsche Antwort auf die aktuellen geopolitischen Herausforderungen ist. Statt einer Rückverlagerung von Produktion oder der Entkoppelung von China und anderen autokratischen Staaten sollten die Lieferketten und Handelsbeziehungen stärker diversifiziert und auf zusätzliche Partner ausgeweitet werden.
Einseitige Abhängigkeiten von bestimmten Märkten und vor allem von autokratischen Regimen müssen abgebaut werden. Durch den Abschluss von Handelsabkommen und strategischen Partnerschaften (v.a. mit Entwicklungsländern) kann die EU die Stärkung der Resilienz von Lieferketten unterstützen. Ebenso sind Handelsabkommen mit den USA und anderen westlichen Demokratien als Signal der Geschlossenheit anzustreben.