Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.:
„Es ist bezeichnend, dass der EuGH nur zwei zentrale Vorgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie gekippt hat. Laut Entscheidung des Gerichts entfallen Vorgaben von Kriterien für die Festsetzung von gesetzlichen Mindestlöhnen. Ansonsten bleibt die EU-Mindestlohnrichtline nahezu unverändert bestehen. Das ist bedauerlich und vor allem ein schwarzer Tag für die Tarifautonomie und die negative Koalitionsfreiheit.
Der EuGH hat mit seinem Urteil höchstrichterlich bestätigt, dass die EU in die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Mitgliedsstaaten eingreifen darf. Das ist ein gefährlicher Eingriff in die Tarifautonomie und eine schwere Belastung für die vom Grundgesetz gesicherte Koalitionsfreiheit. Denn insbesondere die negative Koalitionsfreiheit, also die unternehmerische Entscheidungsfreiheit, keinem Tarifvertrag beizutreten und keinen Tarifvertrag anzuwenden, wird damit untergraben. Die Vorgabe aus der europäischen Mindestlohnrichtlinie, dass rund 80 Prozent der Beschäftigten von einem Tarifvertrag erfasst werden müssen, wirkt wie staatlicher Zwang. Also dem genauen Gegenteil des Grundgesetzes Artikel 9 Absatz 3.
Es ist offensichtlich, dass sich immer mehr Institutionen nicht mehr an die Koalitionsfreiheit gebunden fühlen. So steht mit dem Bundestariftreuegesetz auch national bereits eine Aushebelung der Koalitionsfreiheit in den Startlöchern. Ab dem heutigen Tag kann aus Sicht der Wirtschaft nur noch auf eine bürokratiearme Umsetzung gehofft werden. Alles andere würde die bereits stattfindende De-Industrialisierung nur noch weiter beschleunigen.“